Bei einem Projekt, das anscheinend unvereinbare Extreme zu einer komplexen Fusion zu vereinen wagt, ist die Frage nach dem Zeitpunkt des Beginns selbst für den Künstler schwer zu beantworten. Bereits im Vorfeld der Rezeption weist die Betitelung auf sein wurzelndes Thema hin - das alles Sein berührende Rätsel, in dem das Leben zeitlos, als eine Synapse eines endlosen Geflechts erscheint, das ein über jegliche Vorstellung hinaus gehendes Kontinuum durchdringt.


Erste Experimente, Elemente aus divergenten Disziplinen miteinander zu verflechten, begann Sreeraj Gopinathan, spontan aus den momentanen Lebensumständen heraus, 1997 in Frankreich. Parallel wurden von ihm veranstaltete kulinarische Events, in denen es scheinbar nur um das gemeinsame Genießen von Gaumenfreuden ging, zur Erfahrungsquelle für das sich in einem rudimentären Stadium befindlichen Konzept. Die künstlerischen Versuche beinhalteten zu der Zeit eine Kombination aus drei optisch relevanten Komponenten - Licht, Form und Raum.


Im Grunde aber war seine Konzentration immer auf die jeweilige Reflexion des Publikums gerichtet. Zunehmend wurden dessen Echos aus der Gefühlsebene zum wichtigsten Aspekt seiner Arbeit.


In der Folgezeit in Deutschland eröffneten sich ihm während der Tätigkeit am Landestheater Coburg neue Ansätze für Experimente. Von den vielfältigen Möglichkeiten der Performance inspiriert, keimte die Überlegung, ob sich eine aktive Mitwirkung des Publikums in seinen Licht-Raum-Konzepten erreichen lässt, die sie von ihrer Rolle als Betrachter zu Mitgestaltern erhebt.


Im Jahr 2000 stellte Sreeraj Gopinathan in der Hansestadt Lemgo erste Prototypen vor. In miteinander verbundenen Dunkelräumen installierte er jeweils ein lichtintegriertes Segment. Jedes Ensemble forderte einen bestimmten, das Gesamterlebnis prägenden Performancebeitrag vom Publikum. Die Inszenierung einer ungewohnten Realität fungierte als die Sinne in meditativer Weise stimulierende Konzentrationsübung, die Eintritt gewährte in ein Zwischenreich, wo Irdisches Kosmisches berührt.


Schrittweise kristallisierte sich ein Kernthema für ein Projekt heraus - die Auswirkungen von Erlebnismelangen auf menschliche Gefühlsempfindungen, insbesondere die der Freude.


Im Jahr 2003 realisierte Sreeraj Gopinathan im Thüringischen Schloss Bedheim eine Licht-Raum-Performance-Kombination. Im Fokus stand die kausale Verbindung zwischen den geistigen Wogen und deren Reaktion auf bewusst gesetzte Wahrnehmungsimpulse. Drei ähnliche Installationen, unter anderem eine in München, dienten später als Sprungbrett für ein interdisziplinäres Vorhaben.


Um den Freiraum für notwendige Recherchen zu gewinnen, zog sich Sreeraj Gopinathan 2004 aus der Öffentlichkeit zurück. Da sich die Projektentwicklung quasi auf zwei Kontinenten vollzog, erwuchs die Chance, zwei differente Lebensräume auszuschöpfen. Die Entdeckungsreise führte aus der von Technik regierten westlichen Welt in das vergessene Reich alter Weisheitslehren, tief ins Herz der Natur. In der Berglandschaft Südindiens entstand ein ungewöhnliches Atelier, ein Rückzugsort, an dem er keine Antworten finden, sondern sich von den Fragen befreien wollte.


Auf der Spurensuche nach den Wurzeln entdeckte Sreeraj Gopinathan die Erde als Bindeglied zwischen endlicher, menschlicher Realität und der Unendlichkeit. Der blaue Planet wird zum Epizentrum, das die Gesamtheit seines Schaffens zusammenhält. Das Projekt SAMASYA beinhaltet eine Einladung, der man aber nicht gleich an der Oberfläche begegnet. Eine Offerte für eine Neubesinnung, einen Blick auf das Dasein aus einer veränderten Perspektive, auf eine Wirklichkeit, die mehr als nur einen Ausschnitt ihrer selbst zu erkennen gibt.


2013 übernahm der gemeinnützige Kunstförderverein TARA art e.V. den publikatorischen Teil der Realisierung der ersten Phase. Im Folgejahr erschien die Monografie über die Projektentwicklung "SREERAJ GOPINATHAN - SAMASYA - KOSMISCH UND IRDISCH ZUGLEICH". Anfang 2016 wurde der mit umweltschonender Kulinarik thematisierte Abschnitt veröffentlicht. Um einem breiten Publikum Zugang zu gewähren, wurde der virtuelle Raum des Internets zur Aktionsbühne. 111 Gerichte-Webseiten mit jeweils einer Zubereitungsanleitung (Verzeichnis unter www.indisch-kulinarisch.de), eingebettet in ein inspirierendes Ambiente, laden ein, an diesem Kunstexperiment teilzunehmen.


Ein künstlerisches Element auf unkonventionellem Wege in den Hauptstrom des Lebens zu platzieren, ist hier keine ungewollte Nebenwirkung, vielmehr Inhalt des Konzepts. Die enge emotionale Bindung des Menschen zu seiner Nahrung steht deshalb im Brennpunkt dieser Etappe, weil ihr Inhalt - die Reanimierung des menschlichen Gespürs für seine irdischen Wurzeln - dadurch am effektivsten vermittelt wird.

Abbildungen:

Projekt SAMASYA

- Teil I - Resensitization

Installationen

© Sreeraj Gopinathan

Abbildung: Projekt SAMASYA - Teil II - Elementary

Lichtinstallation © Sreeraj Gopinathan


Resensibilisierung - Im Universum der Sinne

zum ersten Teil des Projekts SAMASYA - Resensitization

Beitrag von Dr. Holger Stockinger, 2016

© Holger Christian Stockinger


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interdisziplinäres Kunstprojekt von Sreeraj Gopinathan

SAMASYA - Teil I - Resensitization www.project-samasya.com

Video: Text und Lesung von Dr. Holger Stockinger, August 2016

Abbildungen:Projekt SAMASYA- Teil I - Resensitization ; Installationen © Sreeraj Gopinathan

Lebensbaum

"Der Lebensweg eines Menschen gleicht manchmal dem zwischen Baum und Vogel. Frei wie ein Vogel möchte er sein und übersieht dabei die Erde, die den Baum hält und nährt."


Reflektion von Holger Christian Stockinger über das interdisziplinäre Projekt SAMASYA des Künstlers Sreeraj Gopinathan, 2016

Die Stille und das Dunkel

Betrachtung von Dr. Holger Stockinger über Sreeraj Gopinathan, 2017


Das Schaffen Sreeraj Gopinathans vom Ausgangspunkt des sogenannten Bildnerischen Künstlers, also Malers, ist immer der Frage nachgegangen, wie es Goethe in seinem Faust als Frage nach der Kraft, die alles erhält und zusammenhält, formulierte.


Die deutsche Sprache erlaubt in ihrer Schreibung Zusammensetzungen und Komprimierungen, die den Mythos eines Volkes der Dichter und Denker hervorbrachten. Was ein Dichter tut und schafft, nennen wir Poesie. Und um diesen romantisch klingenden Begriff soll es hier bei Gopinathans Beschäftigung mit dem Licht und seiner über das Sichtbare hinausgehenden symbolischen Tiefe gehen.


Die Stille und das Dunkel: Dunkel heißt nicht Dunkelheit und Stille meint nicht Taubheit, sowenig wie Heiterkeit und Helligkeit in eins fallen.


Gopinathans Schaffen als in Indien geborener Künstler, der heute in Deutschland lebt und arbeitet, könnte einem scheinen, als habe POESIE im zeitgenössischen Künstlertum doch noch eine Chance.


Die Stille im Licht und das Dunkel im Betrachter, so könnte man auch meinen, sei eben das, was der Lichtobjektkünstler Gopinathan quasi wie nebenbei hervorbringt.


Abbildung: Projekt SAMASYA - Teil II - Elementary

Abbildungen: Lichtinstallation © Sreeraj Gopinathan